Kaiserin Adelheid

Böse Stiefmutter

Adelheid und der Aufstand Liudolfs von Schwaben

[Version 2]


Während Adelheid in der Geschichte ihrer Gefangenschaft in und ihrer Flucht aus der Burg Garda die Rolle der Prinzessin in Not übernimmt, finden wir sie schon kurz darauf in einer ganz anderen Rolle: der der bösen Stiefmutter. Es wird erzählt, dass Adelheid, kurz nachdem sie sich den großen Otto als zweiten Ehemann geangelt hatte, versucht habe dessen Sohn aus erster Ehe von der Thronfolge auszuschließen und ihren eigenen Sohn als Nachfolger einzusetzen. Um nicht enterbt zu werden, hätte Liudolf daraufhin keine andere Wahl gehabt, als sich gegen seinen Vater zu erheben. [1]

Die Geschichte von der bösen Stiefmutter, die die Kinder ihres Mannes aus erster Ehe demütigt und ihres Erbes beraubt, ist ein alter Topos und taucht in Märchen in aller Welt auf: sei es Frau Holle, Aschenputtel, oder die Schöne Wassilissa (zumindest in der Version, die ich kenne). Böse Stiefmütter gab es natürlich auch in der Realität. Gerade in Zeiten und Regionen, in denen die Ressourcen knapp waren, kann man sich vorstellen und auch verstehen, dass eine zweite Ehefrau sich wünschte, dass ihr eigenes Kind z.B. den kleinen Bauernhof, dessen Erträge gerade genug für die Versorgung einer Familie reichte, erbte und nicht das Kind einer anderen Frau. 


Doch war natürlich nicht jede Stiefmutter automatisch 'böse' oder nur selbstsüchtig.

Wie sieht es im Fall der Kaiserin Adelheid aus? Ist die Anschuldigung gerechtfertigt, dass sie ihren Stiefsohn Liudolf von der Thronfolge ausschließen wollte und so dessen Aufstand gegen seinen Vater provozierte?

Bevor Otto I. 951 nach Italien aufbrach, um die Oberhoheit über das Land zu erlangen und seine Herrschaft durch seine Heirat mit der jungen Witwe Adelheid zu festigen, designierte er seinen Sohn Liudolf zu seinem Nachfolger. - Die Designation erfolgte nachdem sich Liudolf selbst in die italienischen Konflikt eingemischt hatte. Allerdings war Liudolf, so wird berichtet, an den Intrigen seines Onkels Heinrich von Bayern gescheitert, der ebenfalls versucht hatte, in Italien Fuß zu fassen. Wäre Otto, wie immer wieder zu lesen ist,[2] über das eigenmächtige Handeln seines Sohnes in Italien erzürnt gewesen, hätte er ihn kaum wenige Monate später zu seinem Nachfolger erhoben.


Was berichten die Quellen über Adelheids Vorgehen? Flodoard von Reims erklärt den Aufstand Liudolfs damit, dass Liudolf fürchtete, Otto wolle seinen Sohn aus der Ehe mit seiner neuen Frau zum Nachfolger zu machen. Als Zeitgenosse und geschätzter Chronist seiner Zeit, muss Flodoards Bericht ernst genehmen werden. Widukind von Corvey schreibt, dass Liudolf über diese Heirat seines Vaters unglücklich war. Völlig aus der Luft gegriffen ist die Darstellung Adelheids als böser Stiefmutter also nicht, wobei auffällig ist, dass in beiden Quellen Liudolfs Ängste beschrieben werden, nicht Adelheids Absichten.

Das erste konspirativen Treffen Liudolfs, Konrads des Roten, Herzog von Lothringen, und anderer Adeliger in Saalfeld fand bereits Weihnachten 951 statt, also mehr oder weniger unmittelbar nachdem die Nachricht von Ottos zweiter Hochzeit in Deutschland eingetroffen war und noch bevor Adelheid ein Kind geboren hatte.[3]

Ottos Bruder Heinrich und sein Sohn Liudolf waren bereits vor der Heirat Ottos mit Adelheid Konkurrenten. Das Treffen in Saalfeld unmittelbar nach der Hochzeit macht eine gewissen Missstimmung unter einem Teil des Adels sichtbar. Ein Zusammenhang zwischen der Ehe und dem Ausbruch des Aufstandes kann nicht von der Hand zu gewiesen werde. Doch wie kam es dazu? Und versuchte Adelheid aktiv ihren Stiefsohn von der Thronfolge ausschließen zu lassen?


Nach ihrer Heirat mit Otto I. musste sich Adelheid erst als Königin am Hof etablieren. Dabei geriet sie unweigerlich in einen Interessenskonflikt mit Liudolfs Frau Ida (die nicht nur Adelheids Stief-Schwiegertochter sondern als Halbschwester ihrer Mutter Bertha auch Adelheids Tante war). Nach dem Tod von Ottos erster Frau Edgith hatte Ida in der Öffentlichkeit die Rolle der Königin übernommen. Es ist daher anzunehmen, dass Ida und damit auch ihr Mann Liudolf sich zurück gesetzt fühlten, als Adelheid diese Position übernahm. Das ist zwar verständlich, war aber eine normal Konsequenz von Ottos Heirat und Adelheid kann man kaum einen Vorwurf daraus machen.

Soweit wir das aus den Quellen schließen können, entwickelte sich rasch eine enge Freundschaft zwischen Adelheid und Ottos jüngerem Bruder Heinrich und dessen Frau Judith. Heinrich war bereits vor 951 zu einem der wichtigsten Berater seines Bruders aufgestiegen und hatte den Einfluss Liudolfs geschmälert. Diese Entwicklung setzte sich nun fort. So erhielt Heinrich die italienischen Marken Verona und Aquileja, während Liudolf leer ausging.

Heinrichs gestiegener Rang wird oft auf den Einfluss seiner Schwägerin Adelheid zurückgeführt. Da Heinrich bereits vor Ottos zweiter Ehe zu einem der wichtigsten Berater seines Bruders geworden war, ist das kaum anzunehmen. Durch ihre Freundschaft konnten Adelheid und ihr Schwager Heinrich sich gegenseitig unterstützen und so jeweils ihren Einfluss stärken.

Zur gleichen Zeit, zu der sich seine Frau Ida durch Adelheid aus ihrer besonderen Rolle am Hof verdrängt sah, wurde Liudolf von seinem Vater zugunsten seines Onkels zurückgesetzt.

Für Adelheid war es natürlich und notwendig, ihre erst frisch erworbene Stellung am Hof zu etablieren und auszubauen, notfalls zuungunsten ihres Stiefsohnes und seiner Frau. Nicht zuletzt nachdem sie am eigenen Leibe erlebt hatte, was es bedeutete machtlos zu sein.

Doch um auf die Frage zurückzukommen ob Adelheid aktiv versuchte ihren Stiefsohn zu enterben. Adelheid bracht in den vier Jahren nach ihrer Hochzeit mit Otto I. (zwischen 952 und 955) vier Kinder zur Welt: drei Söhne, Heinrich, Brun und Otto, und eine Tochter, Mathilde. Zwei der vier Kinder, Heinrich und Brun, starben noch in ihren ersten Lebensjahren. Die beiden jüngeren, Mathilde und Otto, wurden beide 955 geboren, als der Streit zwischen Liudolf und seinem Vater bereits beigelegt war.

Auch war Liudolfs Designation zum Nachfolger nicht so einfach umzuwerfen, insbesondere wenn der hypothetische Gegenkandidat ein Kleinstkind war. Wimmer (1897) sieht kein Hindernis, die Designation Liduolfs zum Nachfolger seines Vaters wieder aufzuheben, denn "was der Vater in seiner Huld gegeben, das konnte er ihm wieder gleichsam zur Strafe entziehen".[4] Allerdings waren an der Einsetzung nicht nur Otto und sein Sohn beteiligt, sondern auch der Adel. Nauman (1964) sieht in der zweiten Ehe Ottos I eine Gefährdung von Liudolfs Erbanspruch, denn "sie [die zweite Ehe] sollte ihm [Otto] unter anderem dazu helfen, sich von dem neben ihm stehenden Thronfolger zu befreien und damit die Unumschränktheit seines Königtums wiederzugewinnen".[5] Das scheint mir doch ein sehr gewagter Schluss. Es gibt keinen Grund zu vermuten, dass Otto seinen Sohn als Rivalen angesehen hat. Liudolfs selbstständiges Eingreifen in Italien lag im Rahmen eines selbsttätig agierenden Herzogs. Heinrich von Bayern hatte schließlich ebenso eigenständig in Italien gehandelt. Einem Zerwürfnis zwischen Otto und Liudolf wegen dessen Italienfeldzug steht entgegen, dass Otto, wie bereits erwähnt, Liudolf kurz danach zu seinem Nachfolger ernannte.


Doch war gekränkte Ehre und Unzufriedenheit mit der Stellung am Hof und Einfluss auf seinen Vater genug, um Liudolf zu einem Aufstand zu treiben? Aus heutiger Sicht scheinen dies vielleicht ungenügende Beweggründe, doch war beides, Ehre und Stellung am Hof, in dieser Zeit von ausgesprochen hoher Wichtigkeit. Ebenso war die Durchsetzung letztendlich politischer Ziele durch Rebellionen ein oft angewandte Methode. Gegen Otto I. hatten bereits sein älterer Halbbruder Thankmar als auch sein jüngere Bruder Heinrich rebelliert. Während Thankmar in diesen Auseinandersetzungen ums Leben kam, versöhnten sich Otto I. und Heinrich nach langem Streit und Heinrich wurde, wie gesagt, einer der einflussreichsten Männer an Ottos Hof.

Auch zwischen Otto I und seinem Sohn kam es zu einer Verständigung. 954 unterwarf sich Liudolf seinem Vater und im Dezember wurde zwischen Otto und den Aufständischen Frieden geschlossen. Liudolf wurde zwar sein Herzogtum Schwaben entzogen, er blieb aber der designierte Nachfolger seines Vaters. Otto übertrug Liudolf bereits wenige Jahre nach dem Ende der Revolte die wichtige Aufgabe in Italien Berengar von Ivrea in seine Schranken zu weisen. Liudolf war bei der Erfüllung dieser Aufgabe auch erfolgreich, jedoch starb er bereits 957.

War Adelheid die böse Stiefmutter die den Aufstand verursacht? Wohl kaum. Liudolf und seine Gefährten betonten immer wieder, dass ihr Aufstand nicht gegen König Otto sondern allein gegen seinen jüngeren Bruder Heinrich, Herzog von Bayern gerichtet war. Auch bei den Versuchen den Konflikt beizulegen, im Frühjahr 953 und später im gleichen Jahr betonten sie dies.[6] Doch auch wenn, wie Amelie Flößel bemerkt, Adelheid in den Quellen nicht als aktiv handelnde präsent ist, spielte Adelheid beim Zustandekommen der Revolte eine wichtige Rolle. Dies lag allerdings weniger daran, dass Adelheid aus Eigennutz ihren Stiefsohn enterben wollte, sondern daran, dass sie in ihre Position als neue Königin, und durch ihre Freundschaft und Zusammenarbeit mit Heinrich von Bayern die Stellung von Liudolf und seiner Frau Ida schwächte. Die Möglichkeit eines anderen potentiellen Nachfolgers, auch wenn dieser noch nicht geboren bzw. noch ein Kleinkind war, machte die Position Liudolfs ebenfalls unsicherer. Und sei es nur, dass er dadurch weniger notwendig war. Adelheids Freundschaft mit Heinrich von Bayern, mit dem Liudolf im Streit lag, verstärkte diese Situation noch. Aktiv am Ausschluss Liudolfs von der Thronfolge scheint sie aber m.E. zu diesem Zeitpunkt nicht gearbeitet zu haben.

Eine ganz andere Frage ist natürlich, wie sich die Beziehung zwischen Adelheid, Otto I. und Ottos Sohn entwickelt hätten, wenn Liudolf nicht bereits 957 gestorben wäre. Doch über "was wäre wenn" soll man als Historiker ja nicht spekulieren.


Kaiserin Adelheid, ein bewegtes Leben in einer bewegten Zeit


[Version 2] Neue und m.E. überzeugende Argumente, für Adelheids Rolle in dem Aufstand in Amelie Fößel, Die Königin im mittelalterlichen Reich. Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume (Stuttgart, 2000), S. 262-267, machten eine Überarbeitung des Textes notwendig.
[1] So wurde es in der ersten Folge der ZDF Fernsehserie "Die Deutschen" dargestellt, um nur ein Beispiel zu nennen.
[2] Eduard Hlawitschka, 'Kaiserin Adelheid und Kaiserin Theophanu', in: K. Schnith (Hg.), Frauen des Mittelalters in Lebensbildern (Graz/Wien/Köln, 1997), S. 38.
[3] Da Heinrich erst 952/953 geboren wurde, könnte man Flodoards Bericht so interpretieren, dass Otto I. nachdem Liudolf seinen Aufstand begonnen hatte, den Gedanken in Erwägung gezogen hatte, Liudolf zu enterben.
[4] Franz Paul Wimmer, 'Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos des Großen, in ihrem Leben und Wirken von 931-973', (Diss.) Regensburg, 1897, S. 25.
[5] Helmut Naumann, 'Rätsel des letzten Aufstandes gegen Otto I. (953-954)', in: H. Zimmermann (Hg.), Otto der Große, Darmstadt 1976 (ursprl. Archiv für Kulturgeschichte 46 (1964)), S. 111.
[6] Winfrid Glocker, Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Studien zur Familienpolitik und zur Genealogie des sächsischen Kaiserhauses. Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 5 (Köln, Wien, 1989), S. 103-114. Die Begründung des Aufstandes erklärt Erkers (den ich leider nicht selbst gelesen habe), laut Glocker so: "Die Bevorzugung Heinrichs von Bayern sei - so Erkens - das grundlegende Recht der Fürsten, am Reich teilzuhaben, verletzt worden. Liudolf und Konrad hätten sich schließlich gegen Heinrich von Bayern erhoben, um für dieses ihr hergebrachtes Recht zu streiten", ibid. 111.



 



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